Page 8 - Quarnbek 37
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          Auf Spurensuche – Anmerkungen zum Desmercières-Sarkophag in Flemhude

          Schon im Zusammenhang mit der Sanierung des Gruftan-  penhagen beigesetzt. Am 26. Juni 1779 wurde der Leichnam
          baus und der Restaurierung des Sarkophags drängte sich mir  laut Flemhuder Sterberegister in der Gruft beigesetzt, aller-
          die Frage auf, wo und von wem der kunstvolle Marmorsar-  dings doch nicht „ohne jede Zeremonie“, sondern unter gro-
          kophag für Jean Henri Desmercières gearbeitet worden ist  ßer Anteilnahme auch von Würdenträgern und Gutsbesitzern.
          (vgl. „Unsere schöne Gemeinde Quarnbek“, Ausgabe 28,  Die Art der Beisetzung in einem Gruftanbau und in einem
          2010, S.14-16). Weil es in dem engen Raum der Gruft tech-  freistehenden Sarkophag hebt die Bedeutung Desmercières
          nisch nicht möglich war, den schweren Deckel anzuheben,  auch für die Nachwelt hervor. In seinem Testament schreibt
          um eventuell ein Steinmetzzeichen oder ein Bildhauersignet  er zwar von einer Bestattung in der Flemhuder Kirche – auch
          zu finden, auch die Totenruhe nicht gestört werden sollte, gab  das wäre ein Privileg gewesen. Bestattungen in der Kirche,
          die Arbeit des Restaurators Roland Hooss keine Hinweise auf  damit nahe bei den Lebenden, galten lange Zeit als etwas Be-
          die Herkunft des Sarkophags.                         sonderes, zumal wenn der Platz in der Nähe des Altars oder
          Deshalb fragte ich bei der Reformierten Kirche in Kopen -  einer Reliquie lag, von deren Heiligkeit etwas auf den Toten
          hagen an, ob es dort einen Aktenbestand aus der Zeit Des-  ausstrahlte. In der Flemhuder Kirche gab es lange Zeit eben-
          mercières gäbe, der weiterführen könnte. Leider ist nach  falls solche Bestattungen unter dem Kirchenfußboden, belegt
          Auskunft von Jan Janssen, historischer Berater der Kirchen-  nicht nur durch schriftliche Quellen, sondern z.B. sichtbar
          gemeinde, nach über 200 Jahren nichts mehr vorhanden. So  geworden bei der Renovierung 1962.
          blieb nur die Hoffnung, in dem Testament Desmercières aus
          dem Jahre 1777 etwas zur Errichtung der Flemhuder Gruft
          und der Schaffung des Sarkophags zu finden.
          Das Kirchenarchiv in Kiel verwies auf das Landesarchiv in
          Schleswig, wo das in französischer Sprache abgefasste Tes -
          tament aufbewahrt wird. Dr. Karsten Dölger übernahm dan-
          kenswerterweise im Frühjahr 2013 die mühsame Überset-
          zung des Textes. Doch meine Frage nach der Herkunft des
          Sarkophags blieb auch diesmal ohne Antwort. Unter Punkt
          37 wurde von Desmercières schlicht verfügt: „Ich wünsche
          ohne jede Zeremonie beerdigt zu werden. Mein Körper  möge
          in mein Gut Quarnbek überführt werden, um in der Kirche
          von Flemhude bestattet zu werden.“
          Desmercières verstarb am 15. März 1778 in Kopenhagen,
          dort zunächst in der französisch-reformierten Kirche in Ko-



                                                               Öffnung im Kirchenfußboden während der Renovierungsarbeiten
                                                               1962 mit Blick auf einen der Särge

                                                               Die Bestattungskultur war ursprünglich ganz und gar christ-
                                                               lich geprägt. Erdbestattungen waren im Sinne der Auferste-
                                                               hungshoffnung des ganzen Menschen die Regel, im Allge-
                                                               meinen auf den Friedhöfen direkt um die Kirche herum, wie
                                                               auch im Flemhuder Kirchhof. Üblich war für weniger fi-
                                                               nanzkräftige Bevölkerungsgruppen durchaus eine Beiset-
                                                               zung in Leinentüchern, und wie heute auch noch, gab es die-
                                                               se Gräber nicht „auf ewig“, sondern mit begrenzten Liege-
                                                               zeiten. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden viele der Be-
                                                               gräbnisplätze, nicht nur aus Platzmangel sondern auch aus
                                                               hygienischen Gründen, an die Siedlungsränder verlegt und
                                                               eine Sargpflicht verordnet. Feuerbestattungen wurden erst
                                                               Ende des 19. Jahrhunderts (wieder) eingeführt.
                                                               Särge aus Stein waren hingegen stets auf Dauer angelegt und
                                                               repräsentativ, zumal wenn sie freistehend in Grabkapellen,
                                                               Grüften oder Mausoleen aufgestellt wurden. Ursprünglich
                                                               stand das nur hohen kirchlichen und weltlichen Würdenträ-
                                                               gern zu, später machten auch Adelige und schließlich wohl-
                                                               habende Bürger davon Gebrauch.
                                                               Die künstlerische Gestaltung der Sarkophage orientiert sich
                                                               naheliegender Weise an Zeitströmungen. Der Desmercières-
          Blick auf den mächtigen Marmorsarkophag in der Gruft an der  Sarkophag ist entsprechend seiner Entstehungszeit dem
          Ostwand der Flemhuder Kirche                         Klassizismus zuzurechnen. Diese Kunstrichtung löste durch
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