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6 CHRONIK
Kopenhagen – und festgelegt, dass mit den drei Prozent Zin-
sen die Armen zu unterstützen seien. Mit dem Testament
wandelte er die Regelung in ein festes Legat um. Schließlich
erließ er den Leibeigenen seiner drei Güter alle aufgelaufe-
nen Schulden.
Die Zusammenstellung zeigt, dass Desmercieres mit seinem
Testament versucht hat, über Generationen hinweg eine ferne
Zukunft nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Zur Umset-
zung hat er entsprechende finanzielle Verpflichtungen fest-
geschrieben. Das Instrument, mit dem er diese Verpflichtun-
gen abgesichert hat, war ein „fidei commissum“ oder Fidei-
kommiss, ein Erbe, welches zu treuen Händen übergeben
wird. In dem Erbe wurde der Kernbesitz, also die drei Güter bereits 1786/1787 in den Gütern die Leibeigenschaft aufhe-
Warleberg, Quarnbek und Rathmannsdorff sowie die nicht ben zu lassen, ist weniger als humanitärer Akt zu deuten,
verkauften Teile der Landgewinnung und das Recht weitere denn als Schachzug durch Landverkäufe Kasse zu machen.
Neulandgewinnung in der Bredstedter Bucht vorzunehmen, Den drei Gütern war dadurch die Aufgabe zugefallen, mög-
zusammengefasst. Dieser Besitz war unteilbar, unveräußer- lichst hohe Gewinne zu erwirtschaften, um die Legate zu be-
lich und konnte auch nicht zur Schuldentilgung herangezo- friedigen und darüber hinaus den Nutzeigentümern Graf
gen werden. Desmercieres hat Graf Heinrich XLIII. Reuß, Heinrich XLIII. Reuß und seinen Nachfolgern maximale
den Schwiegersohn seiner Stiefnichte Anna Françoise Cassa- Einkünfte zu sichern. Zwar sind in den folgenden Jahrzehn-
do de Monteleon, als Universalerben eingesetzt und eine Ver- ten immer wieder Versuche der Administratoren zu erkennen,
erbung innerhalb der Familie der Grafen Reuß festgelegt. die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, aber im Vergleich zu dem
Nur die Erträge aus dem Vermögen standen dem Erben zur ab 1819 durch Wilhelm Hirschfeld eigentümergeführten
Verfügung, durch die Einsetzung einer Administration war Groß Nordsee waren die Bedingungen mit dauerhaft ortsab-
selbst dieses Recht eingeschränkt. Die Administratoren re- wesenden Nutzeigentümern und einer Administration in die-
gelten neben Fragen der Ausgestaltung des Fideikommiss ser Zeit der wirtschaftlichen Umwälzungen und beginnender
den Interessensausgleich zwischen dem Erben einerseits und Industrialisierung deutlich schlechter.
den Inhabern der oben erwähnten Legate andererseits.
Im letzten Punkt des Testaments verfügt Desmercieres, sein
Bereits nach knapp zwei Wochen musste Desmercieres sein Körper möge in sein Gut Quarnbek überführt und dort be-
Testament durch einen Anhang korrigieren. Eine Viehseuche stattet werden. Diesem Wunsch ist über ein Jahr nach seinem
in den Gütern hatte ihm vor Augen geführt, dass wirtschaft- Tode nachgekommen worden, als der Leichnam am 26. Juni
liche Krisen bei der Einschätzung der Leistungsfähigkeit des 1779 in der für ihn errichteten Gruft in einem Marmorsarko-
Erbes nicht genügend berücksichtigt worden waren. Eine phag beigesetzt wurde. Über Hintergründe und Motive
Kürzung einiger Legate sollte Abhilfe schaffen. Für die schweigt das Testament. Warum die Wahl für seine letzte Ru-
Quarnbeker, Warleberger und Rathmannsdorffer Leibeigenen hestätte auf Flemhude fiel, bleibt weiter offen, denn kirchlich
führte die Anpassung zur Streichung der jährlichen Gratifi- stand ihm die Fränzösisch Reformierte Kirche in Kopenha-
kationen. Aber auch die Versuche Graf Heinrichs XLIII. gen näher und wenn er sich in seinen Gütern zwischen Flem-
Reuß, Gewinne abzuführen, verdeutlichen Schwächen des huder See und Levensau aufhielt, dann residierte er in War-
Fideikommisses. Nach der Eindeichung des Reußenkoogs leberg, dort befanden sich seine Verwaltung und sein Wein-
1788, konnte er Überschüsse in Höhe von beachtlichen 50 keller.
047 Reichstalern einstreichen. Auch der Vorstoß des Grafen, Karsten Dölger
Ortshinweisschild im DesmercieresKoog Die 1778/1779 errichtete Gruft für den Marmorsarkophag an der
Ostwand der Flemhuder Kirche