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CHRONIK                                                                                            11


          Fahne – Denkmal – Tabakspfeife:

          Quarnbeker Spuren zur Schleswig-Holsteinischen
          Erhebung
          Im öffentlichen Raum werden zu allen Zeiten immer wieder
          zur Erinnerung an bedeutende Personen und Ereignisse
          Denkmäler errichtet und Gedenktafeln aufgestellt – meist mit
          hohem emotionalen Engagement. Jeder von uns kennt präch-
          tige Reiterstandbilder von Kaisern und Königen, unüberseh-
          bare Bismarcktürme oder zeittypische Plastiken von Dich-
          tern und Komponisten. Neben den überregional bekannten
          Erinnerungsorten gibt es zahlreiche Denkmäler mit ausge-
          prägt lokalhistorischem Bezug, z.B. den Gefion-Brunnen in
          Eckernförde oder das Klaus-Groth-Denkmal in Kiel.

          Eine ganz eigene Art Denkmal fällt in Schleswig-Holstein
          durch seine Häufigkeit und die unspektakulären Orte seiner
          Aufstellung besonders auf: Gedenksteine zur Erinnerung an
          den Beginn der Schleswig-Holsteinischen Erhebung 1848,
          meistens aufgestellt zum 50. Jahrestag 1898. Typisch ist für
          diese Erinnerungszeichen die Kombination mit einer Eiche,
                                                               Rückseite Fahne Kriegerverein Flemhude und Umgegend (1913)
          möglichst einer Doppeleiche.

          In Quarnbek hat es vermutlich ein solches Denkmal nicht ge-  Zeit auch immer wieder zu Konflikten kam, die Herzog -
          geben; aber die Rückseite der handgestickten Fahne des  tümer, vor allem Schleswig, vertraglich immer mehr in den
          Kriegervereins Flemhude und Umgegend, gegründet 1909,  dänischen Gesamtstaat eingebunden waren, wurde die ur-
          ist mit diesem typischen Sinnbild geschmückt worden (Fah-  sprünglich zugesagte Zusammengehörigkeit von Schleswig
          nenweihe 1913, aufbewahrt in einem Fahnenschrank im Lin-  und Holstein erst durch die wachsenden nationalen Bestre-
          denkrug in Flemhude, seit 1989 vermisst – vgl. Flemhuder  bungen des 19. Jahrhunderts zu einem drängenden Politi-
          Hefte 16, Bildband, S.81,86).                        kum.

          Das Symbol der Doppeleiche war von Anfang an eine politi-  Beflügelt durch den Sieg über Napoleon 1813 (Völker-
          sche Demonstration. Die Eiche wurde allerdings schon von  schlacht bei Leipzig) verbreiteten sich in weiten  Teilen
          den Griechen, Römern und Germanen als ein besonderer  Mitteleuropas patriotische Gefühle und nationalliberale Vor-
          Baum verehrt; doch die Doppeleiche ist eine schleswig-hol-  stellungen, gepaart mit Ideen von Freiheit vom absolutis -
          steinische Besonderheit. Der Kunsthistoriker und Garten -  tischen System und von nationaler Einheit auf der Basis ge-
          experte Jörg Matthies setzt sich in seinem Aufsatz mit dem  meinsamer Sprache und Kultur. Im gemischtnationalen Her-
            Titel „Unter einer Krone Dach...“, Die Doppeleiche als  zogtum Schleswig trafen die jeweiligen Bestrebungen von
          schleswig-holsteinisches Unabhängigkeitssymbol, intensiv  dänisch- oder deutschgesinnten unvereinbar aufeinander. Die
          mit dieser Sonderform der Eiche auseinander (in: Geschich-  sogenannten Eiderdänen hatten das Ziel, die südliche Gren-
          te und Kultur Schleswig-Holsteins, Heft 13, 2003; hrg. von  ze des Königreiches an der Eider festzuschreiben und damit
          der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte).  Schleswig endgültig in das dänische Reich einzugliedern.
          „Die Darstellung der Doppeleiche als Symbol für die Un-  Die Gegenseite wollte auch das Herzogtum Schleswig trotz
          trennbarkeit der Herzogtümer wurde 1844 anlässlich des  seines dänischen Bevölkerungsanteils in den Deutschen
          schleswig-holsteinischen Sängerfestes in Schleswig einge-  Bund eingliedern, dem das Herzogtum Holstein angehörte.
          führt“ (S.4). 1913 war dieses Sinnbild noch immer so leben-
          dig, dass es als Schmuck für die Fahne auch in Flemhude und  Die Spannungen eskalierten im Frühjahr 1848, angefacht
          Umgegend gewählt wurde.                              durch das von Frankreich ausgehende revolutionäre Aufbe-
                                                               gehren, das bereits auf andere europäische Regionen überge-
          Der darin ausgedrückte Anspruch auf Untrennbarkeit von  sprungen war. Besonders in Deutschland mit seiner Vielzahl
          Schleswig und Holstein wurde auf den Vertrag von Ripen aus  an einzelnen Herrschaftsterritorien faszinierte der Gedanke
          dem Jahre 1460 rückbezogen. Damals hatte der dänische  der nationalen Einheit. Die Zusammenkünfte der National-
            König, der zugleich zum Grafen von Holstein (Herzogtum ab  versammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848/49 mit
          1474) und Herzog von Schleswig gewählt worden war, für  dem Ziel der Schaffung eines deutschen Reiches sind noch
          diese Gebiete unter anderem zugesichert, dass beide nicht  heute mit Symbolwert besetzt. Die nationalliberale  Auf-
          durch Landesteilungen und Gebietsabtretungen aufgeteilt  bruchstimmung beförderte auch einen bürgerlichen  Idea -
          werden sollten, sondern – viel zitiert – „dat se bliven ewich  lismus, der sich u.a. im Engagement für das Allgemeinwohl
          tosamende ungedelt“ (Degn, Chr.: Schleswig-Holstein, eine  und in der Gründung von Vereinen zeigte, so z.B. des Allge-
          Landesgeschichte, Neumünster 1994, S.81). Obwohl diese  meinen Schleswig-Holsteinischen Lehrervereins, mit dessen
          Vertragszusage schon bald gebrochen wurde, es im Laufe der  Zielen sich auch der Stamper Lehrer Andreas Detlefsen iden-
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