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          Ein Bahnhof für Flemhude                                                       richtet: Friedrich Weimar,
                                                                                         Inpektor auf Hohenschulen,
                                                                                         berichtete während des ge-
                                                                                         samten Zeitraums über die
                                                                                         Verhandlungen an seinen
                                                                                         Chef Ludwig Graf Ples-
                                                                                         sen, den Besitzer von Ho-
                                                                                         henschulen, Marutendorf
                                                                                         und Nehmten am Großen
                                                                                         Plöner See. Diese interne
                                                                                         Dienstpost, in der Weimar
                                                                                         häufig auch seine Einschät-
                                                                                         zungen von Vorgängen und
                                                                                         Personen mitteilt, sind im
                                                               Inspektor Friedrich Weimar   Gutsarchiv in Nehmten
                                                               (1858 – 1957) (Archiv Fritz   erhalten geblieben. In sei-
                                                               Weimar, Österdeichstrich)  nem ersten Bericht zu dem
                                                                                         Thema vom 27. Mai 1898
                                                                                         gibt  Weimar einen Über-
          Bahnhof Flemhude (1904 – 1984), hier 1962 (Archiv Chronik AG)  blick über die Problematik: Der preußische Staat wolle die
                                                               Nebenbahn von Kiel nach Rendsburg bauen. Voraussetzung
                                                               sei, dass die betreffenden Kreise den Grund und Boden dafür
          Die eingeschränkte Zugänglichkeit der Bibliotheken und Ar-  unentgeltlich zur Verfügungen stellten. Die Stadt Kiel habe
          chive in diesem Corona-Jahr erschwerte die Recherche zu   sich bereit erklärt, 100.000 Mark zu übernehmen, 40.000
          Ereignissen und Entwicklungen in der Geschichte Quarn-  Mark müssten vom Landkreis Kiel, zu dem die Gutsbezirke
          beks. Wie in vielen anderen Bereichen erwies sich in dieser   Quarnbek, Hohenschulen, Klein Nordsee und die Landge-
          Zeit die Nützlichkeit der im Netz verfügbaren Inhalte und   meinde Felde damals gehörten, aufgebracht werden. Zwei
          technischen Möglichkeiten, hier der digitalisierten Zeitun-  Trassenvorschläge wurden alternativ geprüft: Die südliche
          gen. Leider gehören die Zeitungen des Kieler Raumes noch   Trasse zweige bei Meimersdorf von der Bahnstrecke Kiel –
          nicht zu diesem Quellenschatz. Aber die Ereignisse des 15.   Altona ab, führe dann über Schulenhof, Steinfurt, durch die
          Oktobers 1904 waren so wichtig, dass auch die „Altonaer   Güter Marutendorf und Hohenschulen nach Brandsbek. Die
          Nachrichten“ berichteten: „Heute ist die vollspurige Bahn-  nördliche Trasse zweige von der Bahnstrecke Kiel – Flens-
          station Kiel – Osterrönfeld mit den Stationen Melsdorf,   burg ab, führe über Mettenhof, Melsdorf, Fegefeuer, an der
          Flemhude, Brandsbek, Kronsburg, Ostenfeld, Schülldorf und   Grenze zwischen den Gütern Hohenschulen und Quarnbek
          Osterrönfeld eröffnet worden.“ Dass Flemhude einen kleinen   entlang, dann an den Hohenschulener Ziegeleikaten vorbei,
          Bahnhof an der „Nebenstrecke Kiel – Rendsburg“ bekom-  durch die Kirchbruchswiese nach Achterwehr, südlich von
          men würde, war keineswegs selbstverständlich und zunächst   Achterwehr über die Eider nach Brandsbek. Der Kreistag
          auch nicht vorgesehen. Wie es dennoch dazu kam, soll hier   des Landkreises Kiel habe nun beide Varianten mit der Be-
          berichtet werden.                                    gründung abgelehnt, nur ein sehr kleiner Teil des Kreises sei
          Bereits am 18. September 1844, dem Geburtstag des dä-  an der Bahn interessiert. Der Kreistagsabgeordnete Paul von
          nischen Königs Christian VIII., war die wichtigste Nord-  Schiller, der als Sprecher der Schiller´schen Erben Quarnbek
          Süd-Achse des Eisenbahnverkehrs im Herzogtum Holstein   im Kreistag vertrat, hatte sich nicht durchsetzen können. Der
          zwischen Altona und Kiel eröffnet und ein Jahr später um   Kreistag wurde damals noch mit Dreiklassenwahlrecht ge-
          die Zweigbahn von Neumünster nach Rendsburg erweitert   wählt. In drei „Wahlverbänden“ wurden im Landkreis Kiel
          worden. Bis zur Fertigstellung der Querverbindung zwischen   sechs Abgeordnete der Städte bzw. Flecken, acht der Land-
          Rendsburg und Kiel sollte es aber noch zwei Generationen,   gemeinden und sieben der großen ländlichen Grundbesitzer
          bis 1904, dauern. Die Verzögerungen gehen mindestens teil-  gewählt. Sofort nach der Wahlniederlage hat Paul von Schil-
          weise auf den Einfluss Neumünsters zurück, denn der Ver-  ler die Initiative ergriffen und ein Konsortium der interes-
          kehr zwischen Kiel und Rendsburg wurde bis 1904 über Neu-  sierten Gutsbesitzer einberufen. Vertreten gewesen seien, so
          münster abgewickelt. Initiator der Planungen war die Kieler   Weimar, die Herren Behr-Mettenhof, v. Schiller-Quarnbek,
          Handelskammer, die die Wünsche der Kieler Geschäftswelt   Fritze-Klein Nordsee und Davids-Neu Nordsee. Weimar sei
          mit ihrem Interesse an einer Anbindung der ländlichen Regi-  „dringend“ zur Teilnahme eingeladen worden, denn das Gut
          onen bündelte. Als Anfang 1898 immer noch nichts erreicht   Hohenschulen sollte an den Kosten beteiligt werden. Ziel
          war, lancierte die Handelskammer einen Gesetzesentwurf an   sei gewesen, genügend Kapital aufzubringen, um das Bahn-
          das Preußische Abgeordnetenhaus in Berlin. Damit kam Be-  projekt zu realisieren und die eigenen Trassenvorstellungen
          wegung in die Sache. Hinter den Kulissen entspann sich eine   durchzusetzen. Seinem Chef, damals Kaiserlicher Gesandter
          hochinteressante kommunalpolitische Auseinandersetzung   in Athen, beschreibt Weimar die Interessen der Akteure. Die
          um die Modalitäten der Ausführung der neuen Eisenbahnne-  Stadt Kiel wolle „den Verkehr des flachen Landes zwischen
          benlinie Kiel – Rendsburg.                           Kiel und Rendsburg auffangen“, v. Schiller verspreche sich
          Über Interessen, Taktik und Verhalten der Akteure sind wir   davon, Quarnbek „vorteilhafter ausschlachten (parcellieren)
          durch einen Glücksfall der Überlieferung recht gut unter-  zu können“, die übrigen Besitzer hätten vorwiegend land-
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