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          wirtschaftliche Interessen. Insgesamt habe er den Eindruck   Eine Einbeziehung dieser Einwohner in den Entscheidungs-
          „einer unverfrorenen Interessenwahrung“ gehabt. Auch sei-  prozess ist aber nicht zu erkennen.
          ne weiteren Ausführungen – die Vorteile für das Gut Hohen-  Auch die Anlieger der südlichen Trasse vertraten weiter ihre
          schulen seien „nicht allzu groß“ – deuten eine ablehnende   Interessen. Hier fasste der Amtsvorsteher von Schierensee
          Haltung dem Projekt gegen über an. Auch für den Transport   und Gutsvorsteher von Blockshagen, Börnhöft, die Argu-
          landwirtschaftlicher Güter hält er die Bahn für nicht bedeu-  mente zusammen. Er fragt, für welche der beiden Linien das
          tend. Man habe ja die „schöne Rendsburger Chaussee“ vor   „größte Allgemeininteresse“ bestehe. Die Region nordöst-
          der Tür und eine Schiffsanbindung mit dem Lösch- und La-  lich des Westensees sei gut an den Verkehr angeschlossen.
          deplatz in Achterwehr an den Kanal.                  Über Lösch- und Ladeplätze am abgesenkten Flemhuder
          Inspektor Weimars Desinteresse schlug abrupt in Engage-  See gebe es eine Anbindung an den Kaiser-Wilhelm-Kanal.
          ment um, als dem Besitzer von Klein Nordsee, Fritze, be-  Für den Personenverkehr sei eine Dampfschifffahrtsverbin-
          wusst geworden war, dass die nördliche Trasse sehr dicht   dung ab Achterwehr vorhanden, kurz ein Bedürfnis für eine
          an seinem Haus und Park entlang führen würde. Daraufhin   Bahnanbindung sei nur schwach vorhanden. Ganz anders sei
          machte sich Fritze nämlich mit Nachdruck für eine drit-  die Lage im Bereich der Güter Deutsch-Nienhof, Schieren-
          te Variante stark, mit der er allerdings Weimar gegen sich   see und der Dörfer Schierensee und Rumohr. Ein Bahnhof
          aufbrachte, denn diese dritte Variante sollte quer durch die   in Steinfurt sei dringend geboten. Für die Kieler sei dann
          Hohenschulener und Marutendorfer Feldmark führen.In   ein reizvolles Naherholungsgebiet schnell zu erreichen,
          seinem Bericht an v. Plessen in Athen lässt er seiner Em-  „wogegen die einförmige Landschaft um Fegefeuer im Gute
          pörung freien Lauf. Die neu abgesteckte Linie sei „ein Un-  Quarn bek wohl niemand hinauslocken würde.“
          sinn sondergleichen, wobei der Eigennutz einiger weniger   Warum die Bahnverwaltung in Altona sich letztlich gegen
          Grundbesitzer in geradezu widerlicher Weise an den Tag   die südliche Trasse entschied, bleibt undeutlich. So kam es
          tritt. Die erste Station der Bahn würde der kleine schmutzi-  im Juli 1900 zum Bieterwettbewerb zwischen den Interes-
          ge Hof Mettenhof, der zweite die paar Kathen in Fegefeuer,   senten der nördlichen und mittleren Trasse. Wegen der Nä-
          und die dritte die Kathen von Brandsbek“ sein. Er, Weimar,   he zu Achterwehr war die nördliche Trasse vom Grunder-
          wolle in Altona und bei Landrat v. Heintze in Bordesholm   werb her die deutlich teurere. Auch als sich Weimar und von
          Protest einlegen. Zugeständnisse für die Durchsetzung der   Schiller bereit erklärten, die erforderlichen Grundstücke zur
          ursprünglichen, nördlichen Trasse könnten im Verzicht auf   Verfügung zu stellen, rechnete Fritze von Klein-Nordsee ih-
          Entschädigungsforderungen und der Übernahme von Grund-  nen vor, die von ihm vorgeschlagene Trasse sei immer noch
          erwerbskosten bestehen. Als weitere Konzession bringt er   günstiger. Den Ausschlag gab schließlich ein weiteres Zu-
          ins Spiel, den eigentlich bei Fegefeuer geplanten Bahnhof   geständnis von Schillers, der sich bereit erklärte, das Gelän-
          „in das Wiesenterrain zwischen Achterwehr und Flemhude   de für den Bahnhof Flemhude kostenlos zur Verfügung zu
          eventl. in die Höhe der Hohenschulener Ziegelkathen“ zu   stellen. Damit konnte der Baubeginn für den Spätsommer
          verlegen. Nicht vier Grundbesitzer allein sollten durch die   1901 oder das Frühjahr 1902 ins Auge gefasst werden. Als
          Übernahme der Grunderwerbskosten ihre Interessen durch-  Bahnhöfe nennt Weimar in seinem Brief nach Athen „Mels-
                                                               dorf-Mettenhof“, „unterhalb Hohenschulen am Quarnbeker
                                                               Viehteich“ und „Brandsbek“.
                                                               Im Frühjahr 1903 berichtete Weimar über den Baufortschritt:
                                                               Auf dem Gebiete des Gutes Hohenschulen sei eine Kolon-
                                                               ne von etwa 40 Mann mit umfangreichen Erdarbeiten be-
                                                               schäftigt. Das werde eine längere Zeit in Anspruch nehmen.
                                                               Bei den Ziegeleikaten sei eine Baracke mit Kantine und Ar-
                                                               beiterquartier errichtet worden, weil die Leute nicht anders
                                                               hätten unterkommen können. Infolge des Bahnbaues laufe
                                                               „hier viel Gesindel aller Art zusammen, wodurch die Ein-
                                                               wohnerschaft recht belästigt wird und namentlich mir als Po-
                                                               lizeibehörde viel undankbare Arbeit erwächst.“ Das müsse
                                                               „ertragen werden in Hinblick auf die Vortheile, welche die
                                                               Bahn später hoffentlich bringen wird.“
                                                               Neben dem neuen Bahnhof in fußläufiger Entfernung zum
          Paul von Schiller (1851 – 1930), Besitzer von Buckhagen bei Kap-  Hohenschulener Inspektorat hatte der Bahnbau weitere
          peln und Vertreter der Schillerschen Erben auf Quarnbek bis 1902   Vorteile. Im Januar 1904 berichtet Weimar seinem Chef,
          (Archiv v. Schiller, Gut Buckhagen)                  im Schönwohlder Kieswerk seien 40 bis 50 Mann beschäf-
                                                               tigt, um den Kies für den Unterbau des Bahndammes be-
                                                               reitzustellen. Das Gelände war zu einträglicher Pacht vom
          setzen, auch die Interessen der übrigen Bevölkerung müssten   Gut Marutendorf an einen Unternehmer vergeben worden.
          gewahrt bleiben. Diese deckten sich nämlich mit denen des   Schließlich sei aus den Groß Nordseer Forsten das Holz
          Gutes Hohenschulen. Ende Januar 1899 kam es zur Annä-  für die Bahnschwellen zu Preisen geliefert worden, die auf
          herung zwischen v. Schiller-Quarnbek und Weimar. Beide   Holz auktionen nicht annähernd zu erreichen gewesen wären.
          hatten ein ausgeprägtes Interesse an der Durchsetzung der   Auch Groß Nordsee befand sich damals in Plessen‘schem
          nördlichen Trasse. Als Argument taucht nun regelmäßig das   Familienbesitz.
          Interesse der Einwohner von Achterwehr und Flemhude auf.   Als die Strecke am 15. Oktober 1904 in Betrieb genommen
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