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CHRONIK 9
und Rechnungslegung lag bei dem Juristen Jess, der jährlich des Gemütes, die er gern verbirgt und unterdrückt. [ … ]
einer Kommission, bestehend aus Mitgliedern des Schles- Er ist ein Mann ohne alle Selbstsucht, als Advokat – er war
wigschen und des Holsteinischen Landgerichts, den Jahres- nämlich in Administrativsachen von Bedeutung – von einer
abschluss zur Prüfung vorzulegen hatte und dafür jährlich keuschen Ehrenhaftigkeit; kein gelehrter Jurist, aber be-
mit 400 Reichstalern entlohnt wurde. Neergaard erklärte, rühmt wegen seiner klaren Auffassung der Sachlage. [ … ]
er habe für die Geschäftsführung keine Zeit und verzichte- Was seltsamerweise meinem Vater ganz, aber ganz abgeht,
te auf eine Entschädigung. Diese Administration hat über ist der Humor. Soviel ich erkenne, hat er absolut kein Ver-
viele Jahrzehnte bestanden und wurde nach dem Rückkauf ständnis dafür [ … ] daher fehlt dem Verkehr mit ihm die
Quarnbeks 1827 und den damit verbundenen Konflikten frohe Leichtigkeit, und er selbst hat das Leben immer nur
noch sehr viel aufwendiger. Aus dem Vermögen sollte jähr- durch Arbeit und resigniertes Zusammenraffen überwinden
lich eine Summe von 24.300 Reichstalern erwirtschaftet können.“ Nach dem Tod des Schwiegervaters zog Johann
werden, die an die Gläubiger der Schuld des Fürsten in Höhe Casimir Storm mit seiner Familie in das Haus der Schwie-
von 435.000 Reichstalern verpfändet war. Da es nach dem gereltern in Husum, Hohle Gasse 3. Storm-Biograph Jochen
Desmerciereschen Testament weitere Verpfl ichtungen gegen- Missfeld beschreibt: „Hier war die Toreinfahrt, und hinter
über Privatpersonen gab, hatten die Mitglieder der Landge- den zwei Fenstern rechts daneben richtete sich Johann Casi-
richte festgelegt, das Geschäft müsse „in den Händen von mir die Anwaltskanzlei ein, ´seine alte dunkle Advokatenhöh-
Männern sein, die öffentliche Achtung und auch das Vertrau- le´, so schreibt Theodor Storm in einem Brief an Emil Kuh.
en der Fideicommißnutznießer besitzen.“ `Das große, verräucherte Gemach, in dem der harte Schlag
In den folgenden Jahrzehnten werden in den Akten nur die der Wanduhr picht`, so steht es in der Novelle »Unterm Tan-
geschäftsführenden Administratoren genannt, so z. B. in den nenbaum«. Dort saß der Vater Storm den ganzen, langen Ar-
Jahren 1817 bis 1828 der Bürgermeister von Eckernförde, beitstag im langen Gehrock bis abends um neun Uhr, eine
Suadicani – die Nachfolger von Neergaards werden nament- goldene Schnupftabaksdose in ständiger Bereitschaft, und
lich nicht erwähnt. Seit spätestens 1837 bis mindestens 1865 der Schreiber und Sekretär Clausen saß im Zimmer nebenan
hatte Johann Casimir Storm dieses Amt inne. Qualifi ziert für in `Clausens Comptoir´. [ … ]“ Der alte Storm „war ein
die Ernennung durch den dänischen König Frederik VI. hat- Rosenliebhaber und Vogelfreund; in den Arbeitspausen, die
te er sich durch die tadellose Amtsführung in seiner Kanzlei er sich leistete, ging er hinaus in den Garten, der hinter dem
in Husum, vor allem aber durch seine Wahl zum Mitglied Haus lag. Da begutachtete er die Rosen und sah nach Tauben
der Ständeversammlung für das Herzogtum Schleswig, wo er und Taubenhaus und nach Spreen [Staren] und Spreenkäs-
das ehrenvolle Amt des Sekretärs ausübte. Da in der Storm- ten.“
Forschung auch das Verhältnis des Dichters zu seinem Vater Einige Beispiele aus den Gutsakten zeigen, worin die Ad-
beleuchtet worden ist, sind von dieser Seite einige Details zu ministratorentätigkeit bestand. Noch von einem Vorgän-
dem Quarnbeker Administrator zusammengetragen worden. ger Storms wurde 1827 der Pachtvertrag für den Haupthof
Johann Casimir Storm war der Sohn des Müllers von Wes- Quarnbek mit dem Pächter Hilmers verhandelt und abge-
termühlen bei Rendsburg und einer Tochter des Pastors von schlossen. Im Zusammenhang mit Absichten, Gut Quarn-
Hohn. Nach dem Jurastudium in Heidelberg und Kiel ließ er bek zu verkaufen, hat Storm im Februar 1837 den Justizrat
sich 1815 als Advokat in Husum nieder. Theodor Storm hat und Amtsinspektor im Amt Kronshagen, C. Rahtlev, um ein
seinen Vater beschrieben als einen kleinen, schwächlichen Gutachten zum Zustand des Gutes gebeten. Als 1838 der
Mann „von heftigem Temperament und der tiefsten Innigkeit Flemhuder Pastor Hans Düncker gestorben war, stand den
Quarnbeker Administratoren das Präsentationsrecht zu, d. h.
sie konnten aus den 70 Interessenten diejenigen auswählen,
die sie den Untergehörigen der eingepfarrten Güter zur Wahl
vorstellen wollten. Das bedeutet, dass Johann Casimir Storm
im adeligen Gut Quarnbek eine dem Gutsbesitzer entspre-
chende Funktion eingenommen hat, und z. B. auch Einfl uss
auf die Einsetzung der Gerichtshalter und der Lehrer in den
Gutsschulen gehabt haben wird. Schließlich fungierte Storm
im Dezember 1863 als „Allerhöchst ernannter Administrator
der Revenüen des Desmerciereschen Fideicommiß“ als Ver-
käufer des Gutes Quarnbek.
Für die Frage, ob Johann Casimir und evtl. auch Theodor
Storm Quarnbek persönlich besucht haben, gibt es in den
Akten bisher keinen Hinweis. Die Aufgaben der Administra-
toren dürften eine zeitweilige Präsenz vor Ort aber erfordert
haben, und Theodor Storm hat vom Herbst 1842 bis zum
Frühjahr 1843, bevor er seine eigene Kanzlei eröffnete, beim
„Kaufcontract [1863] zwischen dem Advocaten J. C. Storm R. v. D.
[Ritter vom Danebrog] zu Husum, als Allerhöchst ernannten Ad- Vater mitgearbeitet und wird bei seiner Beschreibung des
ministrator der Revenüen des Desmerciereschen Fideicommisses, Vaters den Begriff „in Administrativsachen von Bedeutung“
als Verkäufer und dem Ober- und Landgerichtsadvocaten S. H. mit Bedacht gewählt haben.
Hall zu Glückstadt, als Mandatar Sr Durchlaucht des Fürsten Karsten Dölger
Heinrich 69 J. L. Reuss-Köstritz, als Käufer, betreffend den Verkauf
des in dem Herzogthum Holstein im Kieler Güterdistrict belegenen
adeligen Guts Quarnbeck.“ (Thüring. Staatsarchiv Greiz)