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8 CHRONIK
Der Administrator Johann Casimir Storm aus Husum
Ein Beitrag zum Stormjahr 2017
Vor 200 Jahren, am 14. September 1817, wurde Theodor Rettungsver-
Storm in Husum geboren. Sein 200. Geburtstag wird mit suchen 1812
einem Stormjahr gefeiert. Nicht bekannt war bisher, dass endgültig in
Theodor Storms Vater, Johann Casimir Storm (1790-1874), den Konkurs.
über viele Jahrzehnte Quarnbeks königlich bestellter Admi- Ausgedehn-
nistrator war. Wie es dazu kam, und worin die Administrato- te Bildungs-
rentätigkeit bestand, soll hier beschrieben werden. reisen, der
Graf Jean Henri Desmercieres hatte als Besitzer der Güter Ausbau des
Quarnbek, Warleberg, Rathmannsdorf und von wertvollen Brauhauses in
Landgewinnungsprojekten an der Nordsee bei seinem Tod Köstritz, der
1778 ein schwieriges Erbe hinterlassen, denn er hatte dafür Erwerb von
die komplizierte Form des Familien-Fideikommiss` gewählt. Aktien der
Bei dieser Rechtsform war vorgeschrieben, dass der Besitz Dänischen
zu einer unteilbaren, unveräußerlichen Einheit zusammenge- Ostindischen
fasst wurde, die auch nicht zur Schuldentilgung herangezo- Compagnie,
gen werden durfte. Neben Renten für verdiente Einzelperso- die Anlage
nen und einem von der Flemhuder Kirche verwalteten Legat des Köstritzer
für die Gemeindearmen stand die Nutzung der Gewinne Parks nach
einem einzelnen Mitglied der erbberechtigten Familie zu, Plänen des
denen auf diese Weise die Wahrung ihrer gesellschaftlichen befreundeten
Stellung ermöglicht wurde. Diese Rechtsform des Erbes ver- Architekten
deutlicht, dass Desmercieres – trotz oder gerade wegen sei- Husum, Hohle Gasse 3: In diesem Gebäude Karl-Friedrich
ner bürgerlichen Herkunft – ganz dem ständischen Denken hinter den Fenstern rechts neben der Torein- Schinkel, Neu-
verhaftet war und zum Gönner eines Familienzweiges aus fahrt befand sich die Kanzlei des Advokaten aufbau der
Johann Casimir Storm und damit auch die
dem Hochadel wurde. In den ersten Jahrzehnten nach Des- Burg Reichen-
Administration für das Gut Quarnbek.
mercieres Tod profitierte auf diese Weise der Ehemann der (AK im Archiv d. Verfassers) fels und des
Stiefnichte, Heinrich XLIII. Graf Reuß-Köstritz, vom Des- dazugehörigen
merciereschen Fideikommiss. Parks, der Unterhalt des „Reußischen Palais“ in Weimar, in
Für diese nichtregierende Seitenlinie des thüringisch-vogt- dem auch Goethe zu Gast war, sowie der Aufbau der Köstrit-
ländischen Hauses Reuß war es von elementarer Bedeutung, zer Sammlungen überspannten den Bogen der Möglichkei-
sich – besonders nach der Erhebung in den Reichsfürsten- ten des Fürsten bei weitem. 1814 starb Fürst Heinrich XLIII.
stand 1806 – eine wirtschaftliche Basis für eine standes- Reuß-Köstritz in Mannheim, wohin er sich mit seiner Fami-
gemäße Hofhaltung zu schaffen. Die Einkünfte aus dem lie zurückgezogen hatte.
Desmerciereschen Erbe waren hierbei neben den Einkünften Der Konkurs warf die Frage auf, ob und in welcher Form
aus Besitzungen bei Cottbus, Gera und Köstritz ein wichti- die Bestandteile des Desmerciereschen Familien-Fideikom-
ger Baustein. Die Ausgaben für die Hofhaltung überstiegen miss zur Deckung der gewaltigen Schuldenlast herangezo-
jedoch schließlich die Einkünfte deutlich und führten nach gen werden könnten. Angesichts des „Ewigkeitscharakters“
der Rechtsform des Fideikommiss` waren Eingriffe nur mit
königlicher Zustimmung möglich. Der Druck der Gläubiger
scheint so groß gewesen zu sein, dass nach langen Verhand-
lungen schließlich die Lösung gefunden wurde, das Fami-
lien-Fideikommiss in ein Fideikommiss-Kapital zu verwan-
deln. Damit war es möglich, Elemente des Gesamtbesitzes
zu veräußern, gleichzeitig aber Kapitalien unter dem Dach
dieser Konstruktion zu versammeln, die eine Jahresrente ab-
werfen konnten. Rathmannsdorf war bereits 1807 mit Son-
dergenehmigung verkauft worden, Warleberg und Quarnbek
gingen 1811 an den Kammerherrn J. P. v. Neergaard. Nach
Neergaards Konkurs wurde Quarnbek 1827 zurückgekauft
und war seitdem veräußerbarer Teil des Gesamtkaptals, aber
nicht mehr untrennbarer Teil eines geschlossenen Landbesit-
zes, wie es Desmercieres Absicht gewesen war.
1785 ließ Heinrich XLIII. Graf Reuß-Köstritz im neu gestalteten Zu der Regelung von 1812 gehörte auch, das Fideikommiss-
Schlosspark von Köstritz diesen ionisch klassizistischen Tempel Kapital unter königliche Aufsicht zu stellen. Aus diesem
errichten. Die Frauenplastik der Demeter in der Mitte stellt eine
Abformung des über 2000 Jahre alten Originals aus der Dresde- Grund wurde eine Administration eingerichtet, der der Kam-
ner Skulpturensammlung dar. Im Jahre 2000 wurde der Tempel merherr Neergaard, der Käufer Quarnbeks, und der Kieler
renoviert. (Aufnahme des Verfassers) Justizrat Jess angehörten. Die eigentliche Geschäftsführung