Page 12 - Quarnbek 30
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          Dem Scholer-Stein auf der Spur – ein weiteres Detail zur Kanalbaugeschichte


          Am 7. April 1891 berichtete die „Kieler Zeitung“ in ihrer  spiel, das gleichzeitig jede Verbindung der beiden Landseiten
          Morgenausgabe ausführlich über einen Besuch Kaiser Wil-  zu nichte machte.“ Als Ersatz für die bisherige Brückenver-
          helms II. am Vortage an der Baustrecke des Nord-Ostsee-Ka-  bindung sollte von dem für diesen Bauabschnitt zuständigen
          nals. Diese Besichtigung führte im Laufe des Tages von Kiel  Unternehmen Philipp Holzmann die Fähre Landwehr einge-
          aus, wo der Kaiser im Schloss wohnte, bis nach Rüsterbergen  richtet werden. Diese nahm am 30. April 1891 erstmals ih-
          bei Rendsburg.                                       ren zunächst provisorischen Betrieb auf (vgl. Wandrowsky,
                                                               Frank: Flemhuder Quellen Band 3, 2010, S.44).
          Aus diesem Anlass wurde am ganzen Kanal ein Freudenfest
          gefeiert, „denn man empfand mit Genugthuung das andau-  Nahe dem Barackenlager Landwehr wurden laut „Kieler Zei-
          ernde Interesse, das Kaiser Wilhelm am Fortschreiten der  tung“ (s.o.) zur Feier des Tages „dröhnende Böllerschüsse“
          emsigen Arbeiten bethätigte.“ In Levensau hatte die gesamte  abgefeuert und Arbeiter „gaben ein brausendes Hurrah, als
          Hofgesellschaft die Barkassen bestiegen. Besonders in Land-  der Kaiser in kurzer Entfernung an ihnen vorbeischritt…“
          wehr hatte man „mit sehnsüchtiger Ungeduld… dem Eintref-
          fen der Allerhöchsten Herrschaften entgegengesehen.“

          Scharen von Bewohnern der Umgebung, darunter auch die
          Mädchen (!) der Stamper Schule, standen auf dem hohen
          schmalen Erdwall, der den noch immer Wasser führenden
            Eiderkanal vom tief hinunter reichenden Bett des künftigen
          Nord-Ostsee-Kanals trennte.











                                                               . Barackenlager Landwehr an der Baustrecke des Nord-Ostsee-
                                                               Kanals (schräg in Bildmitte: Eiderkanal)

                                                               Zu den illustren Gästen der kaiserlichen Besichtigungsfahrt
                                                               gehörte am 6. April 1891 auch der betagte Generalfeldmar-
                                                               schall Graf von Moltke (siegreich gegenüber Dänemark und
                                                               Frankreich), der sich ursprünglich vehement gegen den Ka-
                                                               nalbau ausgesprochen hatte. Er hätte es bevorzugt, das Geld
                                                               direkt für den Ausbau der Flotte auszugeben. So ist es fast ein
          Bauzeichnung Übergang Landwehr, noch mit beiden Kanälen  Widerspruch, dass ausgerechnet zur Erinnerung an diesen
                                                               Kanalbaustellen-Besuch des Generalfeldmarschalls in der
          Dieser 6. April 1891 war ein ganz besonderer für Landwehr:  Nähe von Schülp b. Rendsburg am Nordufer des Kanals ein
          der Tag des Durchstichs. Mit einem letzten Blick wollten die  großer Findling, der Moltkestein, aufgestellt wurde. Graf von
          Schaulustigen „das Bestehende in der Erinnerung“ festhal-  Moltke starb kurze Zeit nach dieser Kanalfahrt am 24. April
          ten, „das in wenigen Minuten einer völlig veränderten Sce-  1891 in Berlin.
          nerie Platz machen sollte.“
                                                               Auch für einen weiteren Teilnehmer der kaiserlichen Kanal-
          Unter großem Jubel ging der Kaiser in Landwehr an Land  fahrt wurde später ein Findling aufgestellt, aber nicht wegen
          und „that einen Spatenstich.“ Der Spaten war für diesen be-  eines Einzelereignisses, wie der Moltkestein, sondern für ei-
          sonderen Akt extra mit einem neuen Pappelholzgriff verse-  nen Mann, der 22 Jahre lang seine Arbeitskraft unermüdlich
          hen worden, wie die Zeitung vermerkte.               dem Kanalbauprojekt gewidmet hatte, wie z.B. in einem
                                                               Nachruf im „Zentralblatt der Bauverwaltung“ (Nr.91,
          Nachdem auch andere aus dem Kaisergefolge zum Spaten  14.11.1908, S.612) zu lesen ist.
          gegriffen hatten, bahnten sich „die dunkleren Fluthen des Ei-
          derkanals … erst langsam und dann… immer schneller einen  Dieser Stein an der Böschung des Kanals in Groß Königsför-
          Weg in das neue, breite Bassin. Es entstand ein förmlicher  de bei Kanalkilometer 80,9 unterhalb der 2010 im Zu-
          Wasserfall, der an malerischem Reiz mit seinesgleichen im  sammenhang mit den Vorarbeiten für den anstehenden Kanal-
          Hochgebirge wohl konkurriren konnte.“                ausbau abgerissenen Häuser am Kanalweg, soll an den Bau-
                                                               meister Nicolaus Scholer erinnern. Das Erinnern ist aber sehr
          „Gleichzeitig mit diesem Durchstich wurde ein zweiter, nahe  schwierig, denn der Findling ist im Grün der Uferböschung
          der Brücke von Landwehr mit fliegender Hast zu Stande ge-  schwer auffindbar, außerdem steht nur der Familienname
          bracht. Auch hier wiederholte sich das beschriebene Schau-  Scholer darauf, ergänzt durch die Jahreszahlen 1886-1908.
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