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Quarnbek29.qxd  04.04.2011  13:24 Uhr  Seite 11






              CHRONIK                                                                                            11


              Zwischen etwa 1740 und 1881 lebten vier Lafrenz-Genera-  frenz. Claus Hinrich Lafrenz war 1870 im Alter von 88 Jah-
              tionen meist in der Fischerkate südlich der Kirche direkt am  ren „an Altersschwäche“, wie es im Kirchenbuch heißt, ge-
              See. Die einfachen Fischerkähne konnten hier leicht an Land  storben. 50 Jahre war er der Fischer vom Flemhuder See ge-
              gezogen werden.                                       wesen.
              Im Zusammenhang mit der Aufhebung der Leibeigenschaft
              ist 1806 eine Beschreibung der mit der Fischerei verbunde-  Als im Winter 1891/92 der Ringdamm am Ostrand des alten
              nen Landstelle entstanden. Zur Pachtung gehörten demnach  Flemhuder Sees fertig war, wurde der Wasserspiegel um fast
              11 Tonnen und ein Schip Land. Die Stelle war also kleiner als  sieben Meter auf Kanalniveau abgesenkt und das Wasser der
              eine Viertelhufe mit etwa 16 Tonnen und größer als die in  Zuflüsse des Flemhuder Sees durch den Ringkanal zu einem
              Quarnbek relativ großen Insten- bzw. Tagelöhnerstellen von  provisorischen Wehr geleitet. Die Veränderungen hatten Aus-
              7 Tonnen. Dafür waren vier Reichstaler Pacht, für die Fi-  wirkungen auf die Fischbestände im See – allerdings nicht
              scherei 80 Reichstaler jährlich zu entrichten. Die Pacht der  in der erwarteten Form: Seit 1895 wurden durch den Biolo-
              Krugstelle in Flemhude kostete zum Vergleich 12 Taler, die  gen Professor Brandt Untersuchungen im Kanal und dem
              des Haupthofes Quarnbek 2300 Taler. Eine Jahrespacht von  Restsee durchgeführt. Er stellte fest, dass der Salzgehalt im
              80  Talern musste bei der Gutsverwaltung als Sicherheit  abgesenkten Flemhuder See ähnlich hoch war wie in der Kie-
              hinterlegt werden. Die Summe wurde mit jährlich vier Pro-  ler Förde. In den ersten beiden Jahren der Versuchsfischerei
              zent verzinst. 1835 allerdings notiert der Protokollant der  war eine vollständige Vernichtung des Bestandes an Süßwas-
              Volkszählung, dass Claus Hinrich Lafrenz, Enkel des ersten  serfischen festgestellt worden. Der Königliche Oberfischer-
              Flemhuder Lafrenz, nunmehr mit seiner Frau, fünf  Kindern  meister Hinkelmann berichtet von einer großen Zahl toter, an
              und einem Enkelkind in einer „Vierwohnungskate“ lebe.  der Oberfläche schwimmender Hechte. Am Leben gebliebe-
              Acht Personen in einem Viertel einer Kate bedeuteten nicht  ne Fische seien erblindet. Entsprechendes gelte für die mei-
              nur drangvolle Enge, sondern offenbar auch einen sozialen  sten übrigen Süßwasserfischarten. Es müsse die Vernichtung
              Abstieg.                                              des Bestandes an Süßwasserfischen im östlichen Teile des
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              Hintergrund dieser Entwicklung könnte ein über Jahrzehnte  ten die Süßwasserarten aber nach 1898 wieder zurück und
              schwelender Konflikt mit dem Erbpächter der Achterwehrer  seien in allen Größen und großer Zahl gefangen worden.
              Gastwirtschaft und des Aalwehrs an der Mündung der Eider
              in den Flemhuder See gewesen sein. Am 2. September 1830  Völlig überraschend war jedoch, dass der Kanal zu einem
              wurde vor dem Quarnbeker Gutsgericht eine Klage verhan-  sehr wichtigen Laichplatz für die Ostsee-Heringe wurde.
              delt, die der Tagelöhner Klement Uttoff gegen seinen ehema-  Hinkelmann berichtet von Laichplätzen besonders in den
              ligen Chef Claus Hinrich Lafrenz angestrengt hatte. Uttoff  durch den Kanalbau angeschnittenen Seen. Er schließt seinen
              bezichtigte Lafrenz, ein Aalfass des Achterwehrer Gastwirts  Bericht mit der Bemerkung: „Welche Freude für mich, ihnen
              Beckmann zerschlagen und Aale gestohlen zu haben. Die Af-  den Nachweis erbracht zu haben, daß durch den Kaiser-Wil-
              färe scheint der Beginn eines Streits gewesen zu sein, der sich  helm-Kanal eine neue Segensquelle erschlossen ist.“ Im Jah-
              bis in die 1870ger Jahre hinzog. In seinen Lebenserinnerun-  resbericht des Central-Fischerei-Vereins für Schleswig-Hol-
              gen berichtet nämlich der Achterwehrer Knecht Gönne, La-  stein von 1902 heißt es: „Der Flemhuder See in den ersten
              frenz sei die Fischrei im Flemhuder See endgültig leid gewe-  Jahren nach der Eröffnung des Kanals für 50 Mark pro Jahr
              sen, nachdem der Gastwirt Beckmann beim Neubau der Ei-  verpachtet, jetzt wird für den See eine jährliche Summe von
              derbrücke 1877 die Erlaubnis bekommen habe, ein neues  620 Mark gezahlt.“ Ob das für die Familie Lafrenz ein Grund
              Aalwehr („Aalpuck“) einzubauen. Danach habe Lafrenz   zum Bleiben gewesen wäre, ist fraglich. Die Welt der Fischer
              kaum noch einen der zu ihren Laichplätzen im Atlantik ab-  vom Flemhuder See war verschwunden.
              steigenden wertvollen Aale fangen können. Hier wird ein
              weiteres Motiv für den Umzug nach Hamdorf erkennbar. Den  Die Jahre des Kanalbaus kurz vor der Wende zum 20. Jahr-
              Entschluss fasste schließlich aber erst der Sohn August La-  hundert waren eine Zeit der Fortschrittsgläubigkeit und Tech-






















              Abb 3: Die Postkarte mit einem Motiv des Landschaftsmalers  Abb 4: Die Postkarte von etwa 1930 zeigt links die Flemhuder Kir-
              Charles Roß (1816-1858) fängt die Stimmung am noch intakten  che, rechts neben dem Weg die Fischerkate, die vor dem Kanalbau
              Flemhuder See um 1850 ein                             und der Absenkung des Sees direkt am Seeufer lag
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