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CHRONIK 13
Caspar Diderich Christensen (1765-1831) (Dank an die Landes-
bibliothek Kiel)
Christensens Lebensende war überschattet von einem Vor-
gang, den viele Zeitgenossen als Skandal angesehen haben.
Im europäischen Revolutionsjahr 1830 hatte der Sylter Land-
vogt Uwe Jens Lornsen eine hochbrisante Flugschrift mit
dem Titel „Ueber das Verfassungswerk in Schleswigholstein“
verfasst. Lornsen forderte darin eine Schleswig und Holstein
verbindende Verfassung und die Verwaltungstrennung von
Dänemark. Die Forderungen hatten damals einen revolutio-
nären Charakter. Bevor die Schrift gedruckt werden und er-
scheinen konnte, musste sie die Zensur passieren. Das Amt
des Zensors in Kiel verwaltete zu diesem Zeitpunkt vertre-
tungsweise Polizeimeister Justizrat Christensen. Er erteilte
die Druckerlaubnis. Nach Lornsens Aussage habe Christen-
sen gesagt: „Es ist ja alles wahr, was der Mann da sagt.“
Lornsen trug die Schrift Amtsenthebung und einjährige Fe-
stungshaft ein. Über Christensens Beweggründe, die Schrift
die Zensur passieren zu lassen, ist später viel gerätselt wor-
den. Der Historiker Alexander Scharff urteilt, Christensen sei
„alt und kränklich“ gewesen. „Man mag bezweifeln, ob Chri-
stensen überhaupt die Schrift gelesen hat, begriffen hat er sie
jedenfalls nicht.“ Für diese Sicht spricht auch, dass Christen-
sen die Gerichtshalterschaft Quarnbeks bereits am 5. Januar
1830 aufgegeben hatte und seinem Sohn dieses Amt im März
übertragen worden war. Die politische Unruhe, die durch das
Erscheinen der Flugschrift entstand, hat zu weitreichenden
Reformen beigetragen. Die folgende gerichtliche Untersu-
chung des Vorganges wird Christensens Gesundheit weiter
schwer belastet haben. Er starb am 11. Juli 1831.
Karsten Dölger