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CHRONIK                                                                                            11


          Quarnbeker Lebensläufe 5                             schlossen, dass weitere Familienmitglieder der Ehefrau Laß
                                                               Christensens auf dieselbe Weise in Flemhude zu Grabe ge-
          Der Gerichtshalter Caspar Diderich Christensen       tragen worden sind. Mit dieser Form der Bestattung sollte al-
                                                               so die den Mährischen Brüdern besonders wichtige Beschei-
          Wohl mehr als 40 Jahre, zwischen 1789 und 1830, war Ca-  denheit und Demut zum Ausdruck gebracht werden. Ob da-
          spar Diderich Christensen der Gerichtshalter des adligen Gu-  mit auch auf eine besondere Ausrichtung der Flemhuder Ge-
          tes Quarnbek. Er leitete die Verhandlungen des Gutsgerichts,  meinde oder des damaligen Flemhuder Pastors Möller
          er war Obervormund, er war zuständig für die Notariatsange-  geschlossen werden kann, muss offen bleiben.
          legenheiten der Gutsuntergehörigen und er hat die mit den
          großen Agrarreformen einhergehenden Veränderungen im  Bis zu ihrem zehnten Lebensjahr wurden die Söhne des
          adligen Gut Quarnbek juristisch umgesetzt.           Amtsinspektors Christensen von Hauslehrern in Kronshagen
                                                               unterrichtet, danach wechselten sie an die Gelehrtenschule in
          Am 6. Juni 1765 wurde in der St. Katharinenkirche in West-  Kiel. Bereits mit 17 Jahren, am 21. April 1782, schrieb sich
          ensee, Caspar Diderich, das fünfte Kind des Pächters von Gut  Caspar Diderich Christensen für Rechtswissenschaften an
          Deutsch-Nienhof, Laß Christensen und dessen Ehefrau Ca-  der Kieler Christian-Albrechts-Universität ein und schon
          tharina Dorothea geborene Ernst getauft. Der Vater Laß Chri-  1789 mit gerade 24 Jahren wurde er zum Polizeimeister der
          stensen war das fünfte von zwölf Kindern und entstammte ei-  Stadt Kiel berufen. Wahrscheinlich hat er auch schon in die-
          ner Bauernfamilie aus der Nähe von Norderbrarup in Angeln,  sem Jahr die ersten seiner später bis zu 30 Gerichtshalter-
          die Mutter einer Holländerfamilie aus Südholstein. Seinen  schaften in holsteinischen und schleswigschen Gütern, viel-
          Vornamen Caspar erhielt er nach seinem „Taufgevattern“ Ge-  leicht auch bereits die in Quarnbek angetreten. 1792 heirate-
          heimrat Caspar von Saldern, dem Besitzer des Nachbargutes  te er Friederike Maria Wasmuth. Das Protokoll der Volkszäh-
          Schierensee. Caspar von Saldern war es auch, der den von  lung von 1803 gibt einen interessanten Eindruck von der
          ihm geschätzten Laß Christensen 1764 zum Oberinspektor  Hausgemeinschaft der Familie Christensen.
          der Domänengüter berief. Ab 1766 verwaltete er auch die Do-
          mäne Kronshagen. Hier in Kronshagen wuchs Caspar Dide-  Als Anschrift ist dort „Auf dem Wall 107“ angegeben. Die
          rich mit seinen sieben Geschwistern auf. Die Familie wohnte  Adressbücher der Stadt Kiel machen deutlich, dass es sich
          in der linken Hälfte des Domänengebäudes, in der rechten  hierbei nicht um eine amtliche Adresse handelte. Die ver-
          Hälfte fanden die Gerichtssitzungen des Amtsmannes statt.  schiedenen Eintragungen zeigen vielmehr, dass lediglich die
          Im später abgerissenen Torhaus befand sich auch das Krons-  Nummerierung „107“ einen amtlichen Charakter hatte. Die
          hagener Amtsgefängnis. Gerichtstage waren Caspar Diderich  Ortsbezeichnungen hingegen variierten von „Am Schloss
          Christensen also von Kindesbeinen an geläufig.       beim Hafen“ (1835), über „Kattentor“ (1848) und „Wasser-
                                                               allee“ (1857) zu „Damenstraße“ (1862). 1867, als Kiel preu-
                                                               ßisch wurde, wurden die alten Baunummern abgeschafft und
                                                               Anschriften, wie wir sie heute kennen, eingeführt. Die Bau-
                                                               nummer 107 in der Damenstraße  wurde nun zur „Damen-
                                                               straße 76“. 1904 schließlich wurde die Damenstraße in „Am
                                                               Wall“ umbenannt. Für die Quarnbeker Gutsuntergehörigen
                                                               war das Haus des Gerichtshalters Christensens – und später
                                                               seines Sohnes – direkt unterhalb des Kieler Schlosses an der
                                                               Förde mit den wechselnden Ortsbezeichnungen ein wichtiger
                                                               Anlaufpunkt in der Stadt. Hier in Christensens Kanzlei fan-
                                                               den die meisten notariellen Beglaubigungen und auch außer-
                                                               ordentliche Gerichtstermine statt, hier wurden auch die Ak-
                                                               ten der unerledigten Vorgänge und Verfahren verwahrt. Nach
                                                               der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg befindet sich heute an
          In der Domäne Kronshagen verlebte Christensen seine Jugend
                                                               der Stelle des Gebäudes der Große Konzertsaal am Schloss.
          Mit Flemhude schien die Familie Christensen auf besondere
          Weise verbunden gewesen zu sein. Jörn Meiners, der Bio-
          graph von Caspar Diderich Christensens Bruder, dem Gene-
          ralmajor des königlich dänischen Ingenieurkorps Claus Hin-
          rich, bemerkt, der Vater Laß Christensen sei am 28. Februar
          1793 in Flemhude „still begraben“ worden. So seien aller-
          dings eigentlich nur Personen beigesetzt worden, die so arm
          gewesen seien, dass sie nicht in der Lage waren, die Gebüh-
          ren für Predigt, Geläut und Orgelspiel aufzubringen. Auch
          Fremde, Verbrecher oder Tote, die nicht die „richtige“ evan-
          gelische-lutherische Konfession hatten, wurden „still begra-
          ben“. Als Erklärung käme bei den Christensens nur in Frage,
          dass sie der Glaubensrichtung der Mährischen Brüder nahe
                                                               Christensens Kanzlei im mittleren Gebäude der Häuserzeile vor dem
          gestanden haben, und somit nicht zu dem Kreis der Mitglie-  Kieler Schloss war für viele Quarnbeker Gutsuntergehörige Ort für
          der der „richtigen“ Konfession zählten. Meiners hat er-  notarielle Beglaubigungen und außerordentliche Gerichtstermine
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