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12 CHRONIK
Gerichtstag auf Gut Quarnbek
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft „Dorfchronik“ ha-
ben immer sehr bedauert, dass große Teile des Gutsarchivs
kurz nach Ende des letzten Krieges einem Brand zum Opfer
gefallen sind. Da bis zur Gründung der Landgemeinde
Quarnbek im Jahre 1928 das Gut nicht nur ein Wirtschafts-
betrieb war, sondern auch alle heute als „kommunale Aufga-
ben“ bezeichneten Funktionen wahrnahm, wanderten auch
alle Schriftstücke und Akten, die im Zuge dieser Aufgaben
entstanden, in das Gutsarchiv. Sie müssen als für immer ver-
loren gelten.
Umso erfreuter kann ich nun auf einen Fund im Landesarchiv
in Schleswig hinweisen. Meine Nachforschungen in den
Findbüchern des „Gedächtnisses des Landes Schleswig-Hol-
stein“ haben ergeben, dass die Protokollbücher des Gutsge-
richtes Quarnbek aus den Jahren 1830 bis 1867 gut erhalten
im dortigen Magazin lagern. Eine erste Beschäftigung mit
diesen handschriftlich geführten Protokollen hat ergeben,
dass es sich um höchst ergiebige sozialgeschichtliche Quel-
len handelt. Beispielhaft soll über einen Gerichtstag im Som-
mer des Jahres 1848, dem Jahr der schleswig-holsteinischen
Erhebung und der Revolution in Deutschland, berichtet wer-
den.
Protokollauszug der Verhandlungen vor dem Quarnbeker Gutsge-
richt: „Geschehen Quarnbeck den 29. Aug: 1848. In Gegenwart
der Hufner Jürg: Friedr. Schmidt u. Jürgen Hinr. Sell. caus. 14.
Der Verwalter Hilmers ...“
sten, spricht sehr viel dafür, dass die Verhandlungen in den
Räumen der Gutsverwaltung oder doch ihrer unmittelbaren
Im Landesarchiv in Schleswig aufbewahrtes Protokollbuch des Nähe stattgefunden haben werden.
Gerichtes des adligen Gutes Quarnbek für den Zeitraum 1830 bis Der Vorsitzende, der Gerichtshalter Ernst Friedrich Christen-
1842 – eins von fünf erhaltenen Exemplaren (LAS Abt. 126.11 sen, war 1830 von der Gutsherrschaft vorgeschlagen und in
Nr. 10/1)
sein Amt eingesetzt worden. Erkennbar wird damit der Pri-
vatcharakter der Gerichte – Patrimonialgerichte – der adligen
In dem betreffenden Jahr hatte das Gericht insgesamt 16 Mal Güter Holsteins. Für Quarnbek ist es angesichts der zu dieser
getagt, davon aber nur drei Mal in Quarnbek vor Ort wie es Zeit komplizierten Besitzverhältnisse schwierig festzustel-
in der Gerichtsordnung von 1805 eigentlich vorgesehen war. len, wer konkret der Inhaber der Gerichtsbarkeit war. Mög-
Die übrigen 13 Sitzungen hatten alle in Kiel offenbar in den lich ist, dass es der „Nutznießer“ Fürst Heinrich LXIV. Reuß-
Räumen des Gerichtshalters stattgefunden. Meist handelte es Köstritz j. L. war, vielleicht war aber mit der Einsetzung ei-
sich bei diesen Terminen um einzelne Verhandlungen, die ner gerichtlich überwachten Administration auch die Ge-
keinen Aufschub duldeten oder den Charakter notarieller Be- richtsbarkeit an diese Administration übergeben worden. Das
glaubigungen trugen. Auch wenn eigentlich alle vier Wochen Recht auf Einsetzung durch die Gutsherrschaft bedeutet aber
ein ordentlicher Gerichtstag im Gutsdistrikt hätte abgehalten nicht, dass Einfluss auf die Rechtsprechung genommen wer-
werden müssen, so werden die Quarnbeker Untertanen mit den konnte. In der reformierten Gerichtsordnung von 1805
dieser Regelung doch durchaus einverstanden gewesen sein, war festgelegt worden, dass der eingesetzte Gerichtshalter
mussten sie doch kostenlos die Beförderung des Gerichtshal- die Befähigung für das Richteramt haben musste, nicht ab-
ters von Kiel nach Quarnbek als „öffentliche Fuhre“ über- setzbar und an keinerlei Weisungen der Gutsherrschaft ge-
nehmen. bunden sein durfte. 1867, bei der Annexion Holsteins durch
Für den 29. August 1848 war nun ein ordentlicher Gerichts- Preußen, wurden die Patrimonialgerichte ihres privaten Cha-
tag anberaumt und vorher auch bekannt gemacht worden. Die rakters wegen als rückständig abgeschafft. Dem Gerichtshal-
Verhandlungen fanden immer am gleichen Ort statt, leider ter Christensen stand der Protokollant – „actuar“ – Hess zur
gibt es bisher darauf keinen konkreten Hinweis. Da die Ge- Seite. Die eigentliche Sitzungsvorbereitung vor Ort besorgte
richtsarchive aber am Gerichtsort aufbewahrt werden mus- der vereidigte Gerichtsdiener – „Gerichtsadiuvar“ –, der