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NATURPARK WESTENSEE 7
Die Silberreiher vom Westensee von Mäusen ernähren – genauso wie es auch unser Graurei-
her macht. So verbringen mittlerweile etwa 600 Silberreiher
die Wintermonate in Schleswig-Holstein, die meisten entlang
der Plöner und Ratzburger Seenplatten sowie der Unterelbe.
Doch auch am Westensee waren dieses Jahr schon bis zu 60
Vögel, häufig gemeinsam mit ähnlich vielen Graureihern –
welche sich untereinander im übrigen gut vertragen. Die Zahl
ist in den letzten Jahren immer mehr angewachsen und so
kommt auch jeden Spätwinter wieder die Hoffnung auf, dass
einige Vögel bei uns bleiben und einen Brutversuch wagen...
Es gibt schon die ersten Brutpaare in Dänemark, Mecklen-
burg, Holland. In Schweden glückte sogar eine Mischehe
zwischen Grau- und Silberreiher! Für unsere Vogelwelt wäre
eine Ansiedlung eine Bereicherung für unsere Artenvielfalt
und sowohl Nahrungs- wie auch Brutplätze wären ausrei-
chend verfügbar. Doch bislang verlassen sie uns leider immer
Fast jeder hat sie in den letzten Monaten irgendwo gesehen: noch im März, und fliegen nach Südosteuropa zurück.
vielleicht auf den Spülfeldern Flemhude, in den Feuchtwie-
sen um das Dorf Westensee, an einer ruhigen Bucht des „Unsere“ Silberreiher ernährten sich im Winter vor allem
Westensees – oder einfach als „weiße Wolke“ am Himmel: von Weißfischen, die in die Gräben durch das Hochwasser im
die auffälligen, schönen Silberreiher. Sie sind etwas größer Regenmonat Dezember gedrückt wurden. Der Graben zwi-
als unsere nah verwandten Graureiher und zeigen ein rein schen Westensee und Brux sprudelte fast über vor Rotfedern.
weißes Gefieder. Der Schnabel ist gelb und die Beine sind Dieses „Fischbuffet“ liessen sich nicht nur die Reiher
schwarz. Zur Brutzeit haben sie lange Schmuckfedern im schmecken, sondern auch Seeadler, Möwen und einige Ra-
Schulterbereich und der Schnabel ist dann nicht mehr gelb, benvögel. Aber auch auf den Spülfeldern Flemhude standen
sondern schwarz. die Reiher oft in den Uferzonen und jagten dort Fische und
Kleintiere. Eine Konkurrenz für menschliche Fischfreunde
Doch woher kommen diese großen, weißen Vögel, deren sind die Reiher damit übrigens nicht, denn die Weißfische
Heimat doch weit weg liegt und warum verbringen sie den zählen nicht zu den Speisefischen. Zum Schlafen trafen die
Winter bei uns? Sie brüten eigentlich fast auf der ganzen Silberreiher meistens pünktlich kurz vor Dämmerungsein-
Welt, nur in Schleswig-Holstein noch nicht. Die Vögel, die bruch in der Westenseer Bucht ein, wo sie in den ufernahen
uns hier besuchen, brüten in der Ukraine und in Südostpolen, Bäumen übernachteten.
vielleicht auch am Neusiedler See. Die Anzahl der Brutpaare
ist dort in den letzten zwanzig Jahren deutlich angestiegen. Weitere auffällige Wintergäste am Westensee sind die Sing-
Nach dem Ende der Brutzeit, ab Juli/August streifen die schwäne, die abends mit ihren lauten Rufen auf den See ein-
Jungvögel und später auch die Altvögel durch die Gegend. fliegen, und tagsüber auf den Rapsfeldern bei Quarnbek und
Viele bleiben in den Brutgebieten, aber ein Teil der Popula- Bredenbek fressen. Auf dem See sind viele Haubentaucher,
tion wandert in das nördliche Mitteleuropa und sogar bis Gänse- und Zwergsäger, Grau- und Bläßgänse sowie Schell -
nach Skandinavien. Das ist eigentlich ein untypisches Verhal- enten. Durch die Milde des Winters werden viele kälteemp-
ten, schließlich ziehen ja fast alle Zugvögel nach Süden! findliche Arten wie Eisvögel, Rohrdommeln oder Zaunköni-
Aber für die Silberreiher ist Mitteleuropa offensichtlich ein ge den Winter gut überstanden haben. Wir blicken der Brut-
ausgesprochen geeignetes Überwinterungsgebiet: es gibt vie- zeit gespannt entgegen und hoffen darauf, eines Tages die
le fischreiche Gewässer, die durch die milden Winter kaum Silberreiher als schleswig-holsteinische Neubürger begrüßen
noch zufrieren. Und selbst wenn die Fische nicht erreichbar zu können...
sind durch eine Eisdecke, können die Silberreiher sich auch Text: Dipl. Biol. Natascha Gaedecke/Fotos: Joachim Arp