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Quarnbek27.qxd  17.08.2010  15:41 Uhr  Seite 13






              CHRONIK                                                                                            13


              größte Aufmerksamkeit. Die Grenze zwischen dem ehemals
              zu Kronshagen gehörenden Ottendorf und dem Gut Quarn-
              bek am Stamper Berg bezeichnte seitdem den Gegensatz
              zwischen selbstständig wirtschaftenden und persönlich freien
              Bauern auf Erbpachtstellen in Ottendorf und dienstpflichti-
              gen und leibeigenen Gutsuntergehörigen in Stampe, Mels-
              dorf und Rajensdorf. Die harten Bedingungen der einführend
              zitierten Entlassung aus der Leibeigenschaft von 1777 zei-
              gen, auf welch tönernen Füssen die Institution der Leib -
              eigenschaft damals bereits stand.
              Durch wirtschaftliche und aufklärerisch humanitäre Über -                                Abb 3: Antwort-
              legungen, lokale Unruhen in Holstein, aber auch die Fern-                                schreiben Graf
              wirkung der Französischen Revolution hatte sich 1796 eine                                Heinrichs an die
                                                                                                       Kommission zur
              Kommission aus schleswigschen und holsteinischen Gutsbe-
                                                                                                       Vorbereitung der
              sitzern gebildet, die sich mit der Frage der Abschaffung der                              Abschaffung der
              Leibeigenschaft beschäftigen wollte. Die Regierung in Ko-                                Leibeigenschaft
              penhagen hatte die Auseinandersetzung mit den mächtigen                                  (Landesarchiv
              adeligen Gutsbesitzern – der Ritterschaft – gescheut und mit                             Schleswig)
              Wohlwollen die Initiative der nichtadligen Gutsbesitzer ab-  In seinem Antwortschreiben an die Kommission der Gutsbe-
              gewartet, die der Kommissionsbildung voraus gegangen war.  sitzer vom 4. März 1797 stimmt Heinrich XLIII. dann aber
              Nach einem kontroversen Diskussionsprozess einigten sich  der Abschaffung der Leibeigenschaft mit der Bemerkung zu,
              die Mitglieder in der Oktobersitzung 1796 darauf, den Guts-  dass „die ganze Einrichtung auf meinen Gütern dahin ab-
              besitzern einen Fragenkatalog zum weiteren Vorgehen vor-  zwekket, und meine lieben Unterthanen eben durch die lang-
              zulegen. Zunächst wurde gefragt, ob eine grundsätzliche Be-  jährigen Pachtungen zu dem Genuss des großen Guts der
              reitschaft zur Abschaffung der Leibeigenschaft vorhanden  Freiheit – am sichersten vorbereitet und geleitet werden.“
              sei, welche Fristen gesetzt werden sollten, ob man bereit sei,  Auch der vorgeschlagenen Frist von acht Jahren zur Umset-
              sich einem Mehrheitsvotum zu unterwerfen und ob man die  zung stimmt der Quarnbeker Gutsherr zu.
              Entscheidung für eine Privatsache der Gutsbesitzer halte oder
              ob die Vorstellungen beim König einzureichen seien. Bis  „Die Verordnung wegen Aufhebung der Leibeigenschaft“
              zum Frühjahr 1797 sollten die Antworten der Gutsbesitzer  wurde schließlich am 19. Dezember 1804 veröffentlicht und
              eingegangen sein.                                     trat am 1. Januar 1805 in Kraft, mit der Maßgabe aber, dass
              In Quarnbek waren bereits einige Jahre vorher wichtige  keine einzige Hofstelle eingezogen werden dürfe. Heinrich
              Entscheidungen gefallen. Die Gutsrechnung von 1794 weist  XLIII. hatte in Quarnbek bis zum spätest möglichen Zeit-
              Auszahlungen an den Feldmesser Matthiessen für Aufmes-  punkt mit der Aufhebung gewartet. Ob in der Flemhuder Kir-
              sung der „Ländereyen“ sowie für Logierung und Bekösti-  che in der Neujahrspredigt das Gesetz ähnlich begeistert be-
              gung der Feldmesser und für „denselben gegebene Reiter-  grüßt worden ist, wie in Tönning, wo Pastor Scholtz ausrief:
              pferde und Fuhrwerk“ aus. Die Ergebnisse der Vermessung  „Er ist erschienen, der herrliche  Tag. Die schrecklichen
              wurden im Erdbuch von 1796 zusammengefasst. Sie bilde-  Überreste der rohesten Zeit und einer die Menschheit enteh-
              ten die Grundlage für den wirtschaftlichen Teil der großen  renden Herrschaft hat er zerstört, und Fesseln zerbrochen, die
              Agrarreform in Quarnbek. Kurz zusammengefasst bestand  schon Jahrhunderten getrotzt hatten“, wissen wir leider nicht.
              die Reform in einer Verkleinerung des Haupthofes von                                     Karsten Dölger
              1565 Tonnen auf 686 Tonnen, einer erheblichen Vergröße-
              rung der Dorfländereien, Aufhebung der Feldgemeinschaft
              sowie der Neueinrichtung von „ausgebauten“ Stellen wie
              der Halbhufe Holzkoppel. Die beiden Meierhöfe Doro-
              theental und Mettenhof blieben von der Veränderung unbe-
              rührt. Im Dezember 1796 wurden die Stellen zum 1. Mai
              1797 auf dreißig Jahre in Zeitpacht vergeben. Die Hand-
              und Spanndienste auf dem Hoffeld wurden abgeschafft. Die
              in den von Gerichtshalter Christensen aufgesetzten Verträ-
              gen definierten Dienste hatten einen geringeren Umfang.
              Mit der Übertragung der „Konservation“ an die Stellen -
              inhaber wird deutlich, dass sie nun als selbstständige Unter-
              nehmer die Verantwortung für ihr Fortkommen übernah-
                                                                                                       Abb 4: Verord-
              men. Ausdrücklich vermerkt ist aber, dass die Pächter „leib-
                                                                                                       nung wegen Auf-
              eigene Unterthanen“ bleiben. Folgt man dem Wortlaut der                                  hebung der Leib-
              Pachtverträge, dann ging Gutsherr Heinrich XLIII. Graf                                   eigenschaft für
              Reuß zunächst von einer Fortsetzung der Leibeigenschaft                                  die Herzogthümer
              aus und beschränkte sich auf die wirtschaftliche Neuorga-                                Schleswig und
                                                                                                       Holstein von
              nisation des Gutes.
                                                                                                       1804 (Landes -
                                                                                                       archiv Schleswig)
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