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6 CHRONIK
„Jetzt mit aller Kraft ans neue Werk“ –
Eintrag in der Flemhuder Schulchronik vom 24. September 1945
Bei der notwendigen Durchsicht der umfangrei- zeuge usw.) wurden überklebt. Schon während des Krieges
chen Materialien zur Ortsgeschichte der Gemeinde waren die in Deutschland benutzten Schulbücher von den
Quarnbek für die Ablage im Archivraum in Melsdorf, den Alliierten gesichtet und entschieden worden, dass bis zur
das Amt Achterwehr zur Verfügung gestellt hat, stoße ich Erarbeitung und Produktion neuer Schulbücher als Proviso-
immer wieder auf noch nicht Bekanntes. Dazu gehören auch rium auch solche aus der Zeit vor dem NS-Regime neu ge-
diverse Rechenbücher für die Klassenstufen eins bis vier und druckt werden sollten, um den Mangel aufzufangen.
eine Lesefibel für das erste Schuljahr. Laut Stempel sind die-
se in der Schule Flemhude benutzt worden. Weitere Hinwei-
se belegen, dass diese Bücher ab 1945 verwendet wurden.
Nicht nur der offensichtlich in die Jahre gekommene Stem-
pel in den Schulbüchern, sondern das gelbliche Papier der
Seiten und die schlichten Pappeinbände sind Ausdruck der
Zeit: Im Innentitel von „Deutsches Rechenbuch“ ist ver-
merkt, dass es sich um Behelfsausgaben handelt, in „gekürz-
ter Form veröffentlicht im Auftrag des Obersten Befehlsha-
bers der Alliierten Streitkräfte“ und in der Fibel „Kinder-
welt“ ist schlicht angegeben „4. Aufl age 1930“, „Neudruck
1945“. Vielleicht erinnert sich noch mancher in Quarnbek an
diese Schulbücher.
In „Flemhuder Hefte 11“ habe ich die politischen und ge-
sellschaftlichen Verhältnisse nach dem Zusammenbruch des
NS-Regimes und dem Ende des Zweiten Weltkriegs für die
Schulen in Flemhude und Stampe ausführlich beschrieben
(S. 53 ff.). „Die Alliierten teilten Deutschland 1945 … west-
lich der Oder-Neiße-Linie in vier Besatzungszonen auf. Der
östliche Teil wurde Einfl ussgebiet der Russen, westlich lag
die Zone der Franzosen, den südwestlichen Teil besetzten
die Amerikaner und der nordwestliche wurde britische Zone,
zu der auch Schleswig-Holstein gehörte. … Im Mittelpunkt
der Besatzungspolitik standen nicht nur die Entmilitarisie-
rung und Entnazifizierung, sondern auch die Umerziehung
der Deutschen (Re-Education). Besonders die Briten lehnten
es ab, den Deutschen die nationalsozialistische Gesinnung
allein durch Bestrafung und Unterdrückung abzuerziehen.
Sie setzten vor allem auf die erzieherische Wirkung demo-
kratischer Prinzipien“ (s.o. S. 53).
Die Schulen, die nach der Kapitulation im Mai 1945 ge-
schlossen worden waren, sollten den Unterrichtsbetrieb
möglichst bald wieder aufnehmen. Dafür gab es aber zahl-
reiche Hürden: Fehlende Lehrkräfte durch Kriegsverletzun-
gen oder Tod, noch nicht erfolgte Entnazifi zierung, zerstörte
Schulen oder mit Geflüchteten belegte Klassenräume, feh-
lende Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien, die für einen
Neuanfang geeignet waren. Auf Anordnung der britischen
Militärregierung wurde der Schulbetrieb im Herbst 1945
nach und nach wieder aufgenommen. In Flemhude war das
für die Grundschulkinder der 24. September 1945.
Der britische Oberbefehlshaber hatte in diesem Zusammen-
hang die Benutzung von Schulbüchern mit nazistischen In- Das Rechenbuch gibt noch weitere Hinweise auf die dama-
halten verboten. Diese wurden nicht nur vernichtet, sondern ligen Rahmenbedingungen. Dem Textteil ist ein „Vorwort“
als Notbehelf wurden entsprechende Seiten aus vorhandenen vorangestellt, erst in Englisch als „Preface“, gefolgt in des-
Büchern herausgeschnitten, Bilder mit Bezug zur Ideologie sen deutscher Übersetzung:
der NSDAP (z.B. Hakenkreuzfahnen, Hitlerjungen, Flug-